Ende Januar fand auf stipnetz das fünfte Expertenforum zum Thema „Promotion und Karriere in der Wissenschaft” statt. 11 stipnetz-Mitglieder haben sich bereit erklärt von ihren Erfahrungen zu berichten und eine Vielzahl an Fragen zu beantworten. In einer Woche sind dabei über 100 Beiträge zusammengekommen.
Für viele bedeutet der Abschluss des Masterstudiums nicht automatisch das Ende der Studienzeit. In Deutschland promovieren derzeit ca. 200.000 Studierende. So ein Vorhaben sollte jedoch gut überlegt sein, denn man bindet sich eine lange Zeit an ein Thema, eine Uni und einen Betreuer, daher gibt es einige wichtige Fragen im Vorhinein zu beantworten: Warum entscheide ich mich überhaupt für eine Promotion und was bringt mir das für meine persönliche Entwicklung und meine Karriere? Wie finde ich die richtige Universität, den richtigen Lehrstuhl und den richtigen Betreuer? Und zu welchem Thema möchte ich überhaupt die nächsten Jahre forschen und schreiben?
Hier einige Kommentare und Antworten von den Experten:
- Definierte Zielsetzung/Struktur: „Es ist gerade am Anfang sehr hilfreich, eine definierte Zielsetzung mit einem ordentlichen Projektplan und einem realistischen Zeitplan zu haben. Es sollten auch Meilensteine gesetzt werden, vor allem für das erste halbe Jahr bis Jahr. Definierte Zielsetzung, realistischer Zeitplan und guter Projektplan sowie Alternativprojekt sind wichtig.“ / „Durch die Stipendienbewerbung musste ich bereits im Vorfeld im Exposé Thema, Struktur und wichtige Quellen zusammenschreiben, was mir sehr geholfen hat. Dadurch konnte ich beim offiziellen Start direkt loslegen und hatte das Gefühl, dass die Richtung zumindest nicht völlig daneben ist und ich in sechs Monaten alles über den Haufen werfen werde (was trotzdem immer mal vorkommen kann).“
- Alternativplan: „Damit sind wir bei einer weiteren Sache, die ihr dringend braucht: einen alternativen Plan. Wenn ihr es nicht schafft, den Meilenstein zu erreichen, den ihr gesetzt habt, müsst ihr umschwenken. Was gibt es für Alternativen? Soll das Projekt dann in eine andere Richtung gehen, und wenn ja, welche? Oder hast du parallel ein zweites Projekt nebenbei laufen, auf das du dich dann konzentrieren kannst, das erfolgversprechender ist?“
- Kein 100%-Fit: „Man kann die Promotion ruhig als Möglichkeit sehen das Gebiet nochmal ein bisschen zu wechseln.“ / „Im Übrigen so 100%-ige Passgenauigkeit ist vielleicht gar nicht so wichtig. Sobald man einmal die Stelle hat oder im Kolleg ist, kann man durchaus noch einiges justieren und ändern. Es ist der Regelfall, dass Pläne innerhalb der Promotion noch häufiger mal verworfen werden.“ / „Ich habe nachdem ich meine Uni, mein Stipendium und meinen Betreuer gefunden habe, noch mal komplett das Thema gewechselt.“
- Work-Life-Balance/Mental Health: „Man muss sich während der Promotion ganz besonders um die eigene geistige Gesundheit kümmern.“ / „Trefft Leute außerhalb eurer Arbeitsgruppe, unterhaltet euch über andere Dinge als eure Doktorarbeit, nehmt euch Zeit für eure Hobbies, vergesst nicht gesund zu essen und hin und wieder Sport zu machen.“ / „Pass auf Dich auf. Laborarbeit ist gut, aber sie ist auch nicht das einzige im Leben. Es gibt Phasen, in denen ist es stressig, aber dann sollten auch ruhigere Phasen folgen.“ / „Neben der Promotion das Leben nicht vergessen!“
- Sprecht mit aktuellen Promovierenden/Post-Docs: „Frühere Doktoranden, WiMis und SHK sind sicherlich eine hervorragende Option vorzufühlen, ob man auf einer Wellenlänge liegt.“ / „Und vergiss nie, dich auch bei den Studenten umzuhören, wie die Gruppe, der Prof und die Betreuung so sind!“ / „Versuche herauszufinden, ob andere Doktoranden in den vergangenen Jahren abgebrochen haben und was die Gründe dafür waren.“
- Planungssicherheit mit Betreuern: „Auch wichtig fand ich, dass der Betreuer den Eindruck macht längerfristig an eben dieser Universität sein möchte. Grade junge Gruppenleiter bekommen ja hin und wieder einen Ruf an eine andere Universität.“
- Datenbankmanagement: „Außerdem empfehle ich dir, die Literatur, die du liest, von Anfang an in einer Datenbank zu organisieren, mit Schlagwörtern und sonstigen Annotationen. Ich habe Citavi benutzt und fand das Programm sehr hilfreich, weil du nicht nur die Paper mit Schlagwörtern und Kategorien versehen kannst, sondern auch gleich Zitate und Textstellen markieren kannst und denen auch Schlagwörter und Kategorien zuordnen kannst.“
- Struktur zur Benennung von Daten: „Denk dir eine gute Struktur für die Benennung Deiner Daten aus. "Platte1.csv" hilft dir drei Monate später nicht weiter.“
- Nutzt Nähe zu anderen Instituten und Politik: „Es gibt eine recht rege demografische Community in Berlin (und darüberhinaus), die sich alle freuen, wenn man sie einmal zum Mittagessen oder Kaffee trifft: Wissenschaftler, Politiker, Experten, Stiftungen usw. Daraus nehme ich immer sehr viele spannende Ideen und Gedanken mit und nicht zuletzt kommen auch spannende Veranstaltungen herum.“
- Kolloquien: „Ich sitze in einem offiziellen (reinen) Philosophie-Kolloquium (1x wöchentlich) und wir haben mit mehreren Studenten aus dem Stipendienwerk ein kleines "privates" organisiert, bei dem wir uns alle zwei Monate treffen. Ich bin der einzige Philosoph, die anderen drei sind Juristen. Vielleicht gerade weil es keine Philosophen sind und wir an verschiedenen Themen arbeiten, auch in verschiedenen Phasen der Doktorarbeit sind, bringt mir das unglaublich viel. Ich empfehle gerade am Anfang möglichst schnell Kolloquien zu besuchen oder zu organisieren. Die Erfahrungen der anderen helfen immens.“
- Skills für den Arbeitsmarkt: „Ich lerne unheimlich viel, auch die nicht so direkten Fähigkeiten wie Führung, Organisation, Projektplanung und Zeitmanagement.“ / „Diejenigen, die schneller waren (im Wechsel von der Wissenschaft zur Wirtschaft) und direkt etwas gefunden haben, waren nicht besser in ihrem Feld, aber verstanden direkt, dass die Arbeit in der Forschung nicht nur Laborarbeit, Publikationen lesen usw. ist, sondern abstrakter zeigt, dass man Probleme lösen, kommunizieren, in Teams arbeiten, Ideen vorstellen und diskutieren, sich eigenständig strukturieren kann, eventuell Führungsqualitäten und Durchhaltevermögen hat. In manchen Fällen kommen dann noch technische Fähigkeiten wie Programmieren dazu.“
- Keine Bindung an die Wissenschaft: „Dazu vielleicht als erstes der Hinweis, dass eine Promotion nicht unbedingt eine Entscheidung für eine Karriere in der Wissenschaft ist, sondern vielmehr eine Bindung an die akademische Welt für 2-6 Jahre, je nach Fachgebiet. Erst danach entscheidest du dich wirklich dafür. Außerdem gibt es in Deutschland das Wissenschaftszeitvertragsgesetz, das dir für 12 Jahre erlaubt, in der deutschen Wissenschaft zu arbeiten bis du entweder Professor wirst oder ausscheiden musst. Von daher entscheiden sich auch Wissenschaftler während der Post-Doc Phase noch "gegen" die Karriere in der akademischen Welt.“
Artikel und Links:
- „Why earning a PhD is an advantage in today’s industry job market“ - https://www.nature.com/articles/d41586-019-00097-x
- „She’s the world’s top empathy researcher. But colleagues say she bullied and intimidated them“ - https://www.sciencemag.org/news/2018/08/she-s-world-s-top-empathy-researcher- colleagues-say-she-bullied-and-intimidated-them
- Pursuing PhDs: The toll of graduate education on mental health“ - https://www.apadivisions.org/division- 28/publications/newsletters/psychopharmacology/2018/11/student-representative
- PhD Comics - http://phdcomics.com/